CHINA - Impressionen aus einem ehemals kommunistischen Land

           

      Impressionen aus einem ehemals kommunistischen Land

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"Modernes Abenteuer" China


Abgesehen von der oft unerträglich schwülen Hitze und einem Giftgehalt der Luft, den bei uns die Polizei nicht erlaubt, ist es allerdings weniger ein körperliches Abenteuer als ein optisch-geistiges. Indiana Jones und Crocodile Dundee würden sich hier zu Tode langweilen. 

Aber mich trifft der Schlag. Als einer, der Ende der 60er Jahre als Schüler und Student mit den revo-lutionären Bewegungen der Dritten Welt sympathisiert hat, der die Geschichten vom "Langen Marsch" Mao Tse-Tungs und seiner Bauernguerilla bewundernd verschlang - bis mir dämmerte, dass Mao nicht nur ein großer Revolutionsführer war, sondern auch ein großer Scheißkerl und grausamer Despot. 1989 war ich dann als Journalist zum ersten Mal selbst in China, als mit dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens eine demokratische Opposition blutig unterdrückt wurde. Und nun? Als ich China im Sommer 2013, fast 25 Jahre später, erneut besuche, betrete ich ein Land voller Widersprüche, die es zerreissen könnten, wäre da nicht die eiserne Kralle der Kommunistischen Par-tei und ihres Sicherheitsapparates, die alles unter Kontrolle hält.

Das ganze Potpourri der Bilder von China:  Seine einstige und zukünftige Größe als Weltmacht, die Ikone dieser großen Vergangenheit, der Schutzwall der "Chinesischen Mauer", die kunstvoll ge-schnitzten farbigen Verzierungen an den alten Palästen, die zart dahingehauchten Wolkenbilder chineischer Malerei, die brutale Unterdrückung von Minderheiten und kritischer Stimmen, die neuen Reichen, die glitzernden Hochhäuser und Edelboutiquen, das Millionenheer der bettelarmen chine-sischen Wanderarbeiter im eigenen Land, der Hass so vieler Chinesen auf die sie kontrollierenden Kader und korrupten Handlanger der alles bestimmenden Kommunistischen Partei.... ein Land, das politische Starre und Superkapitalismus vereint.

Geld wiegt mehr

als Ideologie und Propagandasprüche


Geld regiert das heutige, moderne "Reich der Mitte", in dem ein atemberaubender, ungezügelter Kapitalislismus Einzug gehalten hat. Eine Riege kommunistischer Funktionäre reitet den ungestümen Stier und versucht dabei – wie beim Rodeo – nicht aus dem Sattel gehoben zu werden mit ihrem überholten politischen Überbau. Deshalb zieht die Parteiführung zuletzt die Zügel auch wieder etwas an.


Aber auch für diese ideologischen Gralshüter des offiziell noch kommunistischen China ist Geld sehr wichtig, wie wir an ihren angehäuften Millionen- und Milliardenvermögen sehen können, die sie allerdings vor "den Massen" tunlichst zu verheimlichen suchen.


Die Söhne dieser Spitzen-Revolutionäre machen ihren Vätern einen ärgerlichen Strich durch die Rechnung, wenn sie mit ihren Ferraris in Begleitung leicht bekleideter Mädchen durch die Strassen von Peking oder Shanghai brausen. Und damit klar machen, dass die Parteibonzen es sich verdammt gut gehen lassen im "kommunisti-schen" China.



Der "rote Kaiser" und Chefideologe Mao ist tot, es lebe der Yuan, oder Kuai, wie das chinesische Geld im Volksmund genannt wird. Die soziale Schere öffnet sich mit Lichtgeschwindigkeit im China von heute. Auch der im Galopp zu Reichtum gelangte neue Mittel-stand wirft nur so mit dem Geld um sich. Die über 250 Millionen bettelarmen Wanderarbeiter Chinas strampeln sich dagegen unter bemitleidenswerten Verhältnissen ab in einheimischen und den vielen ausländischen Fabriken, um ein bisschen Geld zu verdienen und ihre Familien zu ernähren.


China mutiert zu einem Land der ungeahnten Kontraste: mega-reich und superarm. Modern und rückständig. Glänzend vor Chrom und Glas, aber auch dreckig-verkommen. Im Sonnenglanz strahlend und von milchig-grauem Smog betäubt. Und über all den unversöhnlichen Gegensätzen thront noch immer die Kommunisti-sche Partei - allmächtig und zum chinesischen Turbo- kapitalismus passend wie die Faust aufs Auge.

Die Besinnung etwa auf die alten Werte des Konfuzianismus im postkommunistischen China dürfte eine Entwicklung sein, die der zunehmende Wohlstand der entstehenden Mittel-schicht und deren Ansprüche an die Lebensqualität mit sich bringt. Die offizielle Reha-bilitierung des altehrwürdigen chi-nesischen Gelehrten durch die Parteiführung ist dagegen eher kosmetischer Natur. Denn Philosophie und Kultur des "alten" China geniessen weltweit hohes Ansehen und werden mit der einstigen Größe des chinesischen Riesenreichs identifiziert. Die Pekinger Parteiführung möchte mit diesen alten "Pfunden" wuchern und sie als Sympathieträger für das aufstrebende


Land nutzen, das dabei ist, etwas in der Geschichte der Menschheit einmaliges zu schaffen, was allen anderen einstmaligen Weltmächten nicht gelungen ist: ihr Come-back als wiederauferstandene Weltmacht.

Wirtschaftlich geniesst China als gewaltiger Markt inzwi-schen weltweit Anerkennung, Respekt und größere Be-deutung als es mancher inzwischen von dem "Land der Mitte" abhängigen Volkswirtschaft gut tut. Aber wie sieht es darüber hinaus mit der Wert-schätzung aus? In Sachen Sympathiewerte jedenfalls ist das heutige China alles andere als ein Weltmeister. Ganz im Gegenteil.



Die Machtfülle von Staatschef Xi Jinping erinnert ungut an die Zeiten unter Mao, ebenso wie der Terror gegen kritische Geister und Minderheiten wie die muslimischen Uiguren, die zu Hundert-tausenden zur "Umerziehung" in Konzentrationslager gesteckt werden. Das Regime ging zum Teil sogar so weit, kommunistische Funktionäre bei uigurischen Familien einzuquartieren und in ihrer intimsten Privatspähre zu zerstören. Das ist, mit Verlaub, nichts anderes als ein Terror-Regime.

Neben der Allmacht der Kommunistischen Partei ist in China unter den Hunderten von Millionen armer Chinesen ein hohes Mass an Desillusionie-rung und Gewaltbereitschaft zu beobachten.

Wir hören von staatlicher Gewalt und ab und zu auch von ge-gewalttätigen regierungskritischen Ausschreitungen im Zusam-menhang politischer und ethnischer Unterdrückung. Zuletzt die friedlichen Massenproteste gegen die brutalen Isolationsmaß-nahmen zur Bekämpfung der Corona-Epidemie im Land. Aber auch das alltägliche Leben ist voller Spannungen. Überall lodert der Hass der einfachen Menschen auf lokale Parteikader und ihre schamlose Bereicherung auf. Angefacht durch die Rück-sichtslosigkeit, mit der die Ordnungskräfte vermeintliche Ver-gehen ahnden.


     

Da schlagen etwa Beamte eines lokalen Ordnungamtes ei-nen Bauern tot, der seine Wassermelonen "illegal" auf der Strasse verkauft und sich nicht fügen will. Auf der anderen Seite prügeln aufgebrachte Menschen in einem Provinznest Beamte zu Tode, die einem Fahrradhändler das Leben schwer machen und seine Waren konfiszieren wollen. China ist ein Pulverfass, das bei all seiner wirtschaftlichen Dyna-mik von der Parteispitze in Peking extrem überwacht und gesteuert werden muss, wenn es nicht explodieren soll.

   

 

Eine brachiale wirtschaftliche Entwicklung hat das riesige Land erfasst, eine Entwicklung,

die zutiefst kapitalistisch ist...


...und so gar nicht vom "Geist des Kommunismus" beseelt. Ein Entwicklungs-modell, das viele Fragen aufwirft. Und in den Schubladen des Politbüros liegen die Pläne zu einer weiterge-henden grossangelegten "Verstädterung" Chinas. Das bedeutet, der Zement- und Betonboom wird sich fortsetzen und das Agrarland China mehr und mehr zu einem Netz von Satelliten-städten werden, rund um die jetzt schon bestehenden Millio-nenmetropolen: Shanghai, Peking, Guangzhou, Shenzhen, Wuhan, Chongqing, Chengdu, Xi'an, Tianjin, Shenyang, Harbin, Nanjing, Taiyuan, Changchun, Changsha, Jinan, Shijiazhuang, Jilin, Hangzhou, Nanchang, Qingdao..., um nur einige der rund 50 Millionenstädte Chinas zu nennen.



Der revolutionäre Arbeiter-Dress hatte uns lange Zeit dazu verlei-tet, die Chinesen der kommunistischen Volksrepublik als „blaue Ameisen“, als Einheitsmensch in Millionenauflage abzutun. Das ist vorbei. China heute: das bedeutet Reichtum anstreben und ihn protzig zeigen oder ihn möglichst ver-stecken, wenn man ein hoher Parteifunktionär ist. China, das ist auch dreckige Luft und eine unglaublich virulente Kunstszene, das ist Beton-Kommunismus und anarchistischer Individualismus, das bedeutet Zentralstaat und Provinzen, die sich - wenn es um Bauvorhaben geht - einen Dreck um das zu scheren scheinen, was die Zentrale will. Das ist: ganz arm und ganz reich. Es wird spannend sein, zu beobachten, wie daraus die Weltmacht Nummer Eins wird.



Shanghai (dpa) - Die Chinesen haben am sogenannten Singles Day ihren Online-Händlern Verkaufsrekorde beschert: Allein Alibaba, Chinas grösster Internethändler, verkaufte an diesem Samstag Waren im Wert von 168,3 Milliarden Yuan (21,8 Milliar-den Euro), rund 48 Milliarden Yuan mehr als im vergangenen Jahr.

 

Ursprünglich galt der 11.11. in China unter Studenten als eine Art Anti-Valentinstag für Alleinstehende, weil das Datum nur aus Einsen besteht. Vor acht Jahren begann dann Alibaba, sei-nen Kunden an dem Tag für 24 Stunden hohe Preisnachlässe zu gewähren. Zahlreiche Konkurrenten folgten dem Beispiel, wo-durch der jährliche Singles Day zur großen Rabattschlacht wurde.

 

Auch JD.com, ein anderer großer Internethändler, verkündete neue Rekor-de. In den ersten 30 Minuten habe der Konzern Kli-maanlagen im Wert von umgerechnet 65 Millionen Euro ver-kauft - soviel wie am gesamten Singles Day 2016. Die Umsätze mit Lebensmitteln stiegen bei JD in der ersten Stunde um 350 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Schmuck-Verkäufe ver-sechsfachten sich sogar. 150 000 Rasierer und 100 000 Mikro-wellen wurden in nur 60 Minuten gekauft - mehr als im gesam-ten Oktober zusammen. Mehr als sechs Millionen Pakete hatte der Konzern bis zum Nachmittag verschickt.

 


Der "Singles Day" am 11.11.2017



Ein schönes Beispiel, wie in Chinas "K&K-Monarchie" aus KP-Herrschaft und Kapitalismus Konsum und Kapi-talismus unvorstellbare Blüten treiben, mit Verkaufsre-korden und Milliarden-Umsätzen

Alibaba, dessen Kunden nach eigenen Angaben am Samstag zu 92 Prozent per Smartphone einkauften, zelebrierte den Shop-ping-Rausch mit einer großen Party in Shanghai. Eine riesige Leinwand präsentierte live den aktuellen Umsatz. Sänger Phar-rell Williams, Hollywood-Star Nicole Kidman und die chinesi-sche Schauspielerin Fan Bingbing traten am Vorabend zusam-men mit Alibaba-Chef Jack Ma in einer Fernsehgala auf, um für den Verkaufstag zu werben.


Viele Kunden in China warteten auf den Singles Day und scho-ben geplante Großkäufe bis dahin auf. «Ich habe ein neues Sofa, einen Wasserfilter und Kleidung für meine Kinder ge-kauft», sagte die 32-Jährige Wenwen aus Peking, die umge-rechnet etwa 1300 Euro ausgab. Gu Sifan, eine 23 Jahre alte Innenausstatterin aus Shanghai, sicherte sich einen Jahres-

 

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vorrat an Cremes und Duschgel: «Die Rabatte waren aller-dings letztes Jahr höher».


Für Aufmerksamkeit in Chinas sozialen Medien sorgte das Angebot eines Schnapsherstellers, der für 11 111 Yuan (umgerechnet etwa 1500 Euro) seinen Kunden einen lebenslangen Vorrat an Alkohol versprach. Zu dem Preis sollten 33 Käufern, die zuerst zugriffen, bis zu ihrem Tod mit zwölf Flaschen «Baijiu»-Schnaps pro Monat beliefert werden. Sollten sie in den nächsten fünf Jahren sterben, würde das Lieferrecht an ein Familienmitglied übertragen.

 

Nicht die Erfüllung lang ersehnter Wünsche, sondern vor allem Überstunden bedeutete der Singles Day für die Mitarbeiter und Lieferanten der Onlinehändler. «Wir ar-beiten rund um die Uhr und essen viele Instant-Nudeln», sagte Belinda Chen vom Jd.com.

 

Chinas Wirtschaft war in den ersten drei Quartalen des Jahres um 6,9 Prozent gewachsen. Während der Außen-handel nicht mehr so gut läuft wie früher, wird der heimi-sche Konsum zu einer immer wichtigeren Stütze für das Wachstum.

Quelle: dpa-AFX, Simina Mistreanu und Jörn Petring

 

 

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